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Was funktionierende Märkte mit Selbstverantwortung zu tun haben


Miese_Politiker_Machtlose_BuergerDas Schlagwort „Kundenorientierung“ ist in aller Munde. Leitbilder und Hochglanzbroschüren allerorts behaupten diese Orientierung an den Wünschen der Kunden. Doch als Adressat solcher Strategien und Aktivitäten wird man zu oft enttäuscht: „Warum merke ich als Kunde nicht immer etwas von dieser Kundenorientierung? Woran liegt es, dass ich die behauptete Kundenorientierung im täglichen Leben zu selten erlebe?“ Erfahren Sie hier, was Sie bedenken und tun müssen um nicht mehr enttäuscht zu werden.

An Wiens Plakatwänden wurde vor einiger Zeit im Rahmen der Werbekampagne einer Tageszeitung in großen Lettern die Frage gestellt: „Miese Politiker? Machtlose Bürger?“. Angewandt auf den Verkauf könnte die Frage lauten: „Miese Lieferanten? Machtlose Kunden?“ Wer ist schuld daran, dass Kunden so selten ehrliche Kundenorientierung ihrer Lieferanten erleben? Die miesen Lieferanten – oder die machtlosen Kunden?

In den kommenden Beiträgen schildere ich Beobachtungen aus dem Leben und mit den Augen eines interessierten Konsumenten. Sie handeln von den Möglichkeiten und von der Verantwortung, die wir Konsumenten für das Funktionieren des Marktes haben. Erst durch das Übernehmen dieser Verantwortung wird Kundenorientierung möglich und erlebbar.

Man bekommt die Qualität, die man verlangt

Alles begann mit einem Gespräch Anfang der 2000er-Jahre. Es war die Zeit, als der „1. Preiskrieg“ im Österreichischen Lebensmittelhandel auszubrechen begann. Die Handelsunternehmen wollten sich schon damals hauptsächlich über das Unterscheidungsmerkmal „Preis“ den entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. Ich fragte den Vertriebschef eines großen Österreichischen Lebensmittelfilialisten, ob es denn zur Überlegenheit gegenüber Mitbewerbern nicht noch weitere Instrumente denkbar wären als der Preis, zum Beispiel ,Freundlichkeit‘ und/oder ,Service‘. Seine trockene Antwort war: „Solange uns die Kunden die Türen einrennen, brauchen wir zum Thema ,Freundlichkeit‘ nichts tun.“ Damit war die Sache für ihn klar und erledigt. Er sah keine Notwendigkeit, die geübte Praxis zu ändern.

Im ersten Moment war ich verblüfft – eigentlich sogar verärgert – über so viel kundenverachtendes Beharrungsvermögen. Aber nach einer kurzen Schockstarre erkannte ich die simple und bestechende Logik in seiner Argumentation: Wir bieten unseren Kunden genau das, was sie sich gefallen lassen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Und mir wurde klar, dass es eigentlich an uns Konsumenten liegt, dafür zu sorgen, das zu bekommen, was wir wollen.

Marktwirtschaft ist Demokratie

Diese Erkenntnis ist ja nicht wirklich neu. Schon in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts führte der liberale Nationalökonom Ludwig von Mises – ja, ein Österreicher – in einem Vortrag „Über die Ursachen der Wirtschaftskrise“ aus:

Die kapitalistische Marktwirtschaft ist eine Demokratie, in der jeder Groschen eine Wahlstimme gibt. Der Reichtum erfolgreicher Geschäftsleute ist das Ergebnis eines Plebiszits der Konsumenten. Und nur der kann einmal erworbenen Reichtum bewahren, der ihn immer wieder aufs Neue durch Befriedigung der Wünsche der Konsumenten erwirbt.
Die kapitalistische Gesellschaftsordnung ist mithin im strengsten Sinne des Wortes Wirtschaftsdemokratie; in letzter Linie sind alle Entscheidungen von dem Willen der Volksgenossen als Verbraucher abhängig, und es ist dafür gesorgt, dass in einem Widerstreit zwischen den Absichten der Wirtschaftsleiter und denen der Verbraucher schließlich diese obsiegen.
(v. Mises 1931, S. 8)

Von Mises beschreibt hier die Grundmechanismen eines funktionierenden freien Marktes. Jenes Konstruktes, dessen Existenz und Qualität heute immer öfter bezweifelt wird. Nicht unberechtigt bezweifelt wird, denn ein freier Markt verdient diesen Namen nur, wenn er funk-tioniert. Das kann er jedoch nur dann, wenn alle Marktakteure – auch die Nachfrager – ihren Beitrag dazu leisten. Wenn Konsumenten als Marktakteure nicht eigenverantwortlich agieren, setzen sie dadurch die Marktmechanismen außer Kraft, die ein freier Markt zu seinem Gelingen braucht. Das Problem heißt mangelnde Eigenverantwortung.

Servicequalität braucht Selbstverantwortung

An der Bereitschaft und Fähigkeit der Konsumenten, durch Eigenverantwortung die Marktmechanismen in Gang zu halten, sind Zweifel angebracht. Der mündige Konsument ist eine ebensolche Hypothese wie der mündige Bürger und die zu Anfang erwähnte Kundenorientierung. Warum nehmen Konsumenten ihre Rolle nicht in vollem Umfang wahr? Warum machen sich damit als Verbraucher gleichermaßen mitverantwortlich für miese Lieferanten wie als Stimmbürger für miese Politiker? Das Versagen der Politik liegt nicht nur an den Politikern. Es liegt auch an denen, die sie gewählt haben. Das zu hören wird nicht alle freuen, es ist aber so.

Lesen Sie in den weiteren Folgen, aus welchen Gründe sich Konsumenten und Bürger vor ihrer Verantwortung drücken. Die Wurzeln liegen in fünf Wirkungsbereichen, die mir bestimmend für dieses Versagen erscheinen:

  • Gesellschaft
  • Gesetzgebung
  • Angebot
  • Technik
  • Selbstbezogenheit